Free Climbing am Calmont/Nico Medenbach

Drunkenmonday Wein Blog

Auf insgesamt 9,3 Hektar Reben bewirtschaftet das Weingut Franzen aus Bremm neben überwiegend Riesling auch etwas Elbling, Weissburgunder und Chardonnay. Die zwei Toplagen des Hauses sind Neefer Frauenberg und der besagte Bremmer Calmont, seines Zeichens mit über 65° Steigung (im Durchschnitt) steilster Weinberg Europas. Knapp 4 der insgesamt 12 Hektar des Calmonts gehören den Franzens. Für die Lagenrieslinge aus diesen beiden Lagen gelten folgenden Qualitätsstufen: Unter der “schwarzen Kapsel” werde die Trauben aus den jüngeren Analgen beider Weinberge vinifiziert. Die Reben sind im Schnitt nur 40-50 Jahre alt. Da die Trauben in mehreren (bis zu 3) Durchgängen gelesen werden, gehen die ersten Selektionen meist in die “Schwarz-Kapsel” Abfüllungen. Die logische Qualitätssteigerung wäre dann die Goldkapsel. Hier sind die Reben etwa 60-70 Jahre alt und ihre vollreifen Trauben werden deutlich später gelesen. Am Ende der Qualitätspyramide steht ein singuläres Weinmonument, der Calidus Mons. Doch dazu später mehr.

Wir starteten die Probe mit den beiden 2011er Schwarz-Kapsel Rieslingen aus dem Neefer Frauenberg und dem Bremmer Calmont. Diese Weine werden traditionell im April/Mai des Folgejahres gefüllt und geben einen sehr guten Einblick in die unterschiedlichen Typizitäten beider Weinberge. Leider hatte unser 2011er Frauenberg Riesling eine leichte Beeinflussung vom Kork, wo ein muffiger Fehlton die ganze Frucht überdeckte. Ganz anders (und ohne Fehlton) kletterte der 2011er Franzen Bremmer Calmont Riesling “Schwarz-Kapsel” aus dem Glas. Mit viel feiner und filigraner Frucht-Verwirrung (gelber Apfel, Ananas und Pfirsich), leichter und würziger Schiefer-Mineralik und fast schon belebender Frische strömte er uns aus dem Glas entgegen. Am Gaumen überzeugte er trotz gutem Druck mit einem sehr homogenen und ausgewogenen Mundgefühl. Dank fruchtunterstützenden 7,8 Gramm Zucker und zart wirkender 6,3 Gramm Säure bekommt er sogar die Kurve zur schwer greifbaren “Cremigkeit” hin. Im Abgang wird es leicht salzig und pfeffrig. Zusammengefasst haben wir hier einen ziemlich kompletten Terrassen-Riesling aus einer der am schwersten zu bewirtschafteten Weinberge der Welt. Im Bezug auf die Qualität des Weines und der Landschaft wo er herkommt, ist der Preis eigentlich ein Witz. Für unter 12€ gibt es diesen Wein (bald auch den 2012er Jahrgang) ab Weingut. Ein Must-Buy! 89-90 Punkte.

Zwischen all die 2011er schob sich noch ein 2010er Franzen Riesling Bremmer Calmont “Goldkapsel” in die Probe. Hier wurden wir schnell von der Jahrgangstypität des Zweizehner Jahrgangs eingeholt. Es roch nach reifen Limettenschalen, etwas Ananas, sauren Apfelringen und “blauen Blüten” (danke Olaf!). Die Frucht war hier keines Falls so ausladend wie in der 2011er Schwarzkapsel Version. Meine ersten Worte zum Geschmack waren: geile Säure! Obwohl nominell mit 6,7 Gramm nur etwas höher wie beim Vorgängerwein, zeigte sie sich deutlich offensiver im Mundraum. Der ganze Wein wirkte rassig, animierend, mit gutem Extrakt und Dichte, aber in einem völlig anderen Gewand gekleidet. Mit dieser Struktur und Rückgrat hat der Wein Potential für Jahrzehnte. Eine leichte und angenehme Bitterkeit im Abgang lädt munter zum Nachtrinken ein. Ein überzeugend stimmiger Vertreter des Berges und des Jahrgangs. 92 Punkte.

Etwas mehr von allem zeigte dann der 2011er Franzen Riesling Bremmer Calmont “Goldkapsel”. Auch hier notierte ich “Frische”, “Limette”, “Maracuja”, “Blumenwiese” und “Schiefer” in der Nase, doch mit einem dicken “+1″ daneben. Soll heißen, er kommt etwas reifer und opulenter wie sein Vorgänger aus 2010 daher. Am Gaumen beginnt dann das große Schmeicheln. Mit schöner Cremigkeit, viel Extrakt, Dichte und Volumen, aber ohne überschüssiges Fett windet sich der Wein um die Geschmacksknospen. Einige “wow’s” raunten durch die Runde. Doch bei aller Opulenz vergeigt er durch die feine Säure und vielschichtige mineralischen Komponente den wuchtigen Auftritt. Die Entwicklung der Aromen steckt aber noch in den Kinderschuhen. Bitte für mindestens 2-4 Jahre wegelegen, denn hier haben wir ein wahrhaft Großes Gewächs im Glas, auch wenn der Zucker mit 10,2 Gramm etwas über “trocken” rangiert. Ein großer Wein für (verhältnisweise) kleines Geld. 93-94 Punkte / 19,50€ ab Weingut. Kaufen Freunde, kaufen!

Nicht weniger spannend ging es mit dem 2011er Franzen Riesling Neefer Frauenberg “Goldkapsel” weiter. Im Vergleich zum Bremmer Calmont kommt diese Goldkapsel deutlich würziger, mineralischer und etwas karger daher. Wobei karg vielleicht das falsche Adjektiv ist. Er ist ein Stück feiner und fokussierter, mit einer Schippe mehr Frische, Wiese, Limette, Würze und Bergluft, ohne mit ausladender Frucht zu glänzen. Doch am Gaumen fehlt es ihm nicht an Nachhaltigkeit und Substanz. Er wirkt dazu trockener als sein Bruder aus dem Calmont, obwohl er mit 9,8 Gramm Zucker nahezu identisch ausgestattet ist. Es fällt wirklich schwer hier seinen Favoriten zu finden. Schlussendlich ist eine Frage welchen Stil man bevorzugt. An diesem Abend hatte der Calmont knapp die Nase vorn, doch auch für den Frauenberg vergebe ausgezeichnete 92-93 Punkte. Ebenfalls für 19,50€ ist der Wein jede Reise wert!

Apropos Reise. Der letzte Wein des Abend zeigte sich als “Reise in die Tiefen des Riesling Universums”. Es war der 2011er Franzen Riesling “Calidus Mons”. Für ihn wird nur das beste und reifste Traubenmaterial aus dem Extrem-Berg Bremmer Calmont verwendet. Doch er zeigte sich an diesem Abend extrem sperrig. Die Nase duftete noch Farbefroh wie eine visuelle Erfahrung auf LSD. Ultra tief und würzig, mit reifen Bananen, Zitronengras, reife tropische Früchte und Limetten, unterlegt von Schichten aus Schiefer und Blumenwiesen. Hier kann man sich ganz schnell drin verlieren. Leider konnte das süchtig machende Spiel am Gaumen nicht ganz umgesetzt werden, da der Wein aromatisch doch recht verschlossen blieb. Die nasal versprochenen Bilder wurden nur in Umrissen gezeichnet. Doch ein fantasievoller Wein-Reisender kann hier sehr gut erahnen, wohin sich dieses Riesling Monument entwickeln wird. Der 2011er Calidus Mons erzeugte einen großartigen Spannungsbogen aus Süß/Säure Spiel, basierend auf einem mächtigen Fundament und enormer Langlebigkeit. Irgendwie ein Spiegelbild des Weinberges selbst. Das nenne ich mal Terroir in die Flasche gebracht. Aufpassen, dieser Riesling will und muss erobert werden! Für mich ist der Wein aktuell schwer in Punkte zu fassen. Er wird sich irgendwo zwischen 92 und vielleicht 95 Punkten einpendeln. Time will tell.

 

 

Veröffentlicht am: 3. Mai 2013
Kategorie: Presse